Aus dem Bericht über die „Wilden Stämme des Nordens” von unserem gelehrten Geschichtsschreiber Austarelius, hoher Bürger von Glorist:
„…Wohlbekannt, so meint man, sind uns die Totemstädter, die in ärmlichen Behausungen am nordöstlichen Rande unseres Reiches leben. Wenige Jahrzehnte ist es her, da plünderten und mordeten sie in unseren Provinzen und täglich gab es mehr Nachricht über ihre Greueltaten. Wer von uns hat keinen Toten zu beklagen, der von einem Wolfsmann oder Bärenmenschen erschlagen wurde? Wer hat noch nicht von ihrer schwarzen Magie und ihren Geisterbeschwörungen gehört? Doch diese Tage sind gezählt, denn die ersten Dörfer leisten friedlich ihren Tribut an das große Reich der Glorister.
Hieß es von Ratsherr Blavan noch, die Götter mögen seiner Seele gnädig sein, es sei unmöglich, die Tiermenschen zu zähmen, so haben wir ihn heute eines besseren belehrt. Auch wenn immer noch viele unmenschliche Bräuche ihre Anwendung finden, so setzt sich doch das gloristische Recht durch und viele werden durch gerechte Strafen geleutert. Der Hohe Herr Sadenus gebietet mit eiserner Hand über unsere neue Provinz, die die Wilden Berenau nennen. Und es trägt die süßen Früchte, die wir uns alle erhoffen: Frieden und Gerechtigkeit, wo auch immer die Sonnenscheibe scheinen mag.…”
Leben und Alltag[]
Von den Bauern und Viehzüchtern[]
Der Großteil der Totemstädter lebt von Ackerbau und Viehzucht. In vielen Teilen des Landes gilt derjenige als besonders reich, der eine große Viehherde besitzt. Beeindruckend sind daher die Viehmärkte, die in regelmäßigen Abständen in bestimmten Dörfern stattfinden. Die Geschichte eines Bauern aus Bibersheim erzählt, welchen Eindruck solch ein Markt auf einen Totemstädter macht.
„Nun denn lasst mich berichten über den großen Viehmarkt und die Freiheit und Schönheit, die jenseits des Adlergebirges liegt. Ich kam also über den Pass gen Norden und bereits auf den letzten Hügeln konnte ich es sehen: Saftige, grüne Weiden so weit das Auge reicht. Im Osten zog eine wildlebende Schar Auerochsen ihres Weges und im Norden sah ich eine riesige Staubwolke. Eine so immense Menge an Rindern, Schafen und Ziegen wurde dort voran getrieben, dass kaum jemand vermag sie zu zählen. So gewann ich also den ersten Eindruck, was mich wohl in Riesochs erwarten würde und doch wurden meine Vorstellungen noch übertroffen.
Auf dem Weg in die Stadt, das mag ich am Rande erwähnen, kam ich ein ums andere Mal einigen der freilebenden Auerochsen sehr nahe. Doch im Gegensatz zu den heimischen Rindern flohen diese nicht, sondern grasten in aller Ruhe ohne eine Notiz von mir zu nehmen. Es mag sein, da diese Tiere an Größe mehr besitzen als die unsrigen, dass sie in mir kleinem Wicht keine Gefahr sahen. Ich glaube aber, dass der Reichtum im Norden so groß ist, dass keine Jagd mehr auf die freien Ochsen gemacht wird. Deswegen sind die Tiere hier so zahm und friedlich.
Bereits weit vor der Stadt hatten die Händler ihre Zelte aufgeschlagen und boten ihre Waren feil. Zum überwiegenden Teil war das natürlich Vieh, aber auch gänzlich anderes Gewerbe war vertreten. Wollt ihr also euren Reibach machen, so geht zum nächsten Viehmarkt und bietet dort eure Ware an. Ich brauchte einen ganzen Tag, um mir einen Überblick zu verschaffen über die Vielfalt der Stände und die besten Angebote der Händler. Erst am nächsten Tag konnte ich in Verhandlung treten und die Wahl viel mir wirklich schwer, bei so vielen schönen Tieren. Gerne hätte ich mehr erstanden, doch meine Habe reicht eben nur aus für einen Ochsen. Acht Scheffel Weizen habe ich für dieses schöne Tier bezahlt, ein guter Preis, wie ich meine.
Doch nun lasst mich nach Hause gehen und ein wenig ausruhen von der langen Reise. Wir können morgen weiter reden, über die Geschehnisse in Riesochs. Gehabt euch wohl!”
Die Qualität des Totemstädter Vieh's und die Produktivität der Bauern wird allerdings nicht von jedem so hoch eingeschätzt, wie von eben erwähntem Bibersheimer. So heisst es in einer, zugegebenermaßen bereits zwanzig Jahre alten Rede des Ratsherren Blavan vor dem glorister Rat:
„Es ist ein harter Winter, meine Herren, der auch an uns nicht spurlos vorrüber gehen wird. Zwar muss kein glorister Bürger den Hungertod fürchten, denn die Speicher unserer südlichen Provinzen sind gut gefüllt, doch treibt die Kälte einen unerbittlichen Feind vor unsere Tore. Ich spreche von den wilden Stämmen des Nordens. Ihr Vieh ist ausgemärgelt und lange nicht so zäh und widerstandfähig, wie das unsere. Ihre Ernte war schlecht und ihre Vorräte gehen zur Neige. Meine Herren Räte, ich habe Berichte über ein Heer, das Richtung Süden zieht, wilde Barbaren mit dem Ziel zu rauben und zu morden. Sie werden nicht rasten, bis ihre Mägen auf unsere Kosten gefüllt und ihre Gürtel mit unserem Schmuck behängt sind. Wie vor drei Jahren werden sie wie ein Stürm über uns kommen und keinen Stein auf dem anderen lassen. Ich beschwöre sie deswegen, meine Herren, ein Heer aufzustellen, das den Barbaren entgegen eilt und ihnen eine Lektion erteilt, die sie nicht vergessen werden. …”
Von den Zwergen, zurückhaltend wie sie einmal sind, ist uns zumindest eine Bemerkung über ein Gerstenerzeugniss der Totemstädter bekannt:
„…ach ja, wenn du einmal in Bjornesgrund bist, bring mir ein Fässchen von dem Gerstensaft mit, den sie dort brauen. Doch hüte dich vor der roten Traubenplörre der Südlander. Das Zeug ist ekelerregend!”